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Rosa Elefant
Gast
Es ist mal wieder Zeit für eine Geschichte. Schart euch um den rosa Elefanten, meine Kinder, nehmt euch eine Schorle und lauscht gebannt, was ich zu berichten habe, denn ich habe mein Leben abermals grundlegend geändert.
Ich benutze nämlich kein Evernote mehr.
Natürlich war das keinesfalls eine leichte Entscheidung. Ein Blick in mein Evernotekonto zeigte mir, dass ich Evernote ungefähr seit meinem Einstieg in die Android-Welt verwende, jedenfalls das Jahr stimmt; das ist wenig überraschend, denn vorher hatte ich keine Notizen, die ich mit irgendwas synchronisieren musste, da war ich mit ein paar Textdateien durchaus zufrieden. Evernote erschien damals als die nahe liegende Lösung, immerhin ziert ein Elefant sein Logo. Die heutigen (wie auch damaligen) Konkurrenzprodukte waren entweder noch nicht zu Synchronisierung zwischen Desktop und Smartphone imstande oder hatten andere Schwierigkeiten. Selbsthosting war 2010 noch kein so großes Thema wie 2017 und OneNote existierte unter Android noch nicht einmal. Für org-mode war ich damals noch zu faul; selbst, wenn es das grandiose Orgzly damals schon gegeben hätte, war das Format auf dem Desktop doch mindestens ungewöhnlich. Emacs war mir damals als Texteditor noch fremd.
Klar: Rosa Elefanten entwickeln sich weiter; wie so Pokémon eben. (Gebt lieber auf und bekämpft uns nicht!) - In den folgenden Entwicklungsstufen habe ich es geschafft, Emacs und damit auch org-mode in meine Workflows zu integrieren, denn, wie man früher oder später herausfindet (ob man will oder nicht), für "Todo"-Listen ist Evernote wie auch seine Mitbewerber einigermaßen schlecht geeignet. Diese Zweiteilung zwischen nach Projekten geordneten .org-Dateien für akute Dinge und Evernote als virtuellem Zettelkasten hat jahrelang prima funktioniert.
2014 kamen erste Zweifel, ob Evernote wirklich das Richtige ist, wohl auch beeinflusst von der Einführung von OneNote unter Android. Das lief bei mir jedoch nicht besonders gut, also habe ich eine Befassung damit vorerst vertagt. Dass OneNote noch recht lange furchtbar zu bedienen war, erleichterte mir das Verbleiben bei Evernote immens.
Leider hat das Evernote-Team seitdem ein paar schlechte Entscheidungen getroffen: Die verfügbaren Preismodelle (nicht, dass ich auch nur ein einziges Bezahlfeature wirklich gebraucht hätte) vermehrten sich, es gab wunderliche Blogbeiträge zu Datenschutzrichtlinien und ein immer offensichtlicheres Bedürfnis, aus dem etablierten Dienst, der auch für die nicht zahlende Kundschaft interessant sein wollte, eine Bargeldkuh (oder wie auch immer man das übersetzen mag) zu machen, was für mich spätestens 2016, als unsereins nur noch auf zwei Geräten gleichzeitig - "Evernote Web" gnädigerweise nicht mitgezählt - angemeldet sein durfte, was für mich persönlich auch beim Streamingdienst Deezer ein Ausschlusskriterium ist. Als Gewohnheitstier kann man sich fraglos, wenn auch Zähne knirschend, damit arrangieren, den Evernote-Client nur noch auf Smartphone und Hauptrechner laufen zu lassen, die Webanwendung ist ja durchaus nicht so schlecht, aber ein wenig unerwünscht kommt man sich schon vor.
In Kombination mit dem seit 2015 immer energischeren Generve, man möge doch bitte endlich mal die tollen Premiumfunktionen ausprobieren, die man, verdammt noch mal, noch nie gebraucht hat, füllte sich das Fass jedenfalls zusehends. Heute schließlich lief es über; ohne einen gesonderten Anlass, aber die Kombination aus dem allen ist unerträglich geworden.
Nach ungefähr sieben überwiegend zufriedenen Jahren ist das Evernotekonto "Rosa Elefant" seit wenigen Minuten Geschichte. Wer nervt, gewinnt mich nicht als zahlenden Kunden, sondern verliert mich als Empfehlung. Ich habe in den vergangenen Jahren durchaus verschiedenfach Evernote empfohlen, vielleicht hat Evernote darüber auch schon Geld verdient, vielleicht auch nicht. Evernote war immer ein Werkzeug für mich, keine Notwendigkeit. Wenn mein Schraubenzieher anfängt, mich beim Schrauben darauf hinzuweisen, dass ich auch einen Schraubenzieher mit integrierter Feile kaufen könnte, dann wird mein nächster Schraubenzieher von einem anderen Baumarkt gekauft. Nach langer Abwägung der Alternativen ziert meinen virtuellen Zettelkasten jetzt ein lila umrandetes "O". Dass das Microsoft-eigene Importwerkzeug recht wenig taugt (vielleicht bin ich aber auch nur zu blöde für dessen sturzfreie Bedienung), war kein Hindernis: Die knapp einhundert angesammelten Notizen waren schnell kopiert und reformatiert. Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich mal aufgeräumt, meine Strukturen waren eher suboptimal. Beim Kopieren aus Evernote Web gehen manchmal doppelte Zeilenumbrüche teilweise verloren, aber vielleicht macht das die Desktopversion anders.
OneNote verpflichtet ohnehin zum Umdenken: Was hier "Notizbücher" heißt und in einzelnen Dateien herumliegt, entspricht bei Evernote eher ganzen Konten.
Der "OneNote-Importer" transferiert das auf eine andere Ebene, indem er Notizbücher als Notizbücher umsetzt; das kann sinnvoll sein, ist aber merklich komplizierter mit der Struktur von OneNote in Einklang zu bringen. (Das ist wahrscheinlich Geschmackssache.)
OneNote kann Notizbücher überall, also in OneDrive und Dropbox und Seafile und auf irgendwelchen Netzlaufwerken, ablegen; wenn man, wie ich, OneDrive nicht besonders mag, kann man sein eigener Notizhoster werden. Das habe ich bei Evernote durchaus auch ein wenig vermisst.
Fehlt mir nichts? Doch: So etwas Feines wie Geeknote hat OneNote einfach nicht zu bieten. Aber seien wir ehrlich: Das ist es nicht wert.
Wenn ich demnächst mein LG G5 endlich austausche, bin ich auch die Evernote-App (scheint hier ins ROM eingebaut zu sein) los. Unsere Wege, Evernote, trennen sich hier. Ich verstehe das Streben nach Geld, ich habe aber kein Mitgefühl mit Nervensägen.
Jetzt mach bloß keinen Fehler, Microsoft.
Ich benutze nämlich kein Evernote mehr.
Natürlich war das keinesfalls eine leichte Entscheidung. Ein Blick in mein Evernotekonto zeigte mir, dass ich Evernote ungefähr seit meinem Einstieg in die Android-Welt verwende, jedenfalls das Jahr stimmt; das ist wenig überraschend, denn vorher hatte ich keine Notizen, die ich mit irgendwas synchronisieren musste, da war ich mit ein paar Textdateien durchaus zufrieden. Evernote erschien damals als die nahe liegende Lösung, immerhin ziert ein Elefant sein Logo. Die heutigen (wie auch damaligen) Konkurrenzprodukte waren entweder noch nicht zu Synchronisierung zwischen Desktop und Smartphone imstande oder hatten andere Schwierigkeiten. Selbsthosting war 2010 noch kein so großes Thema wie 2017 und OneNote existierte unter Android noch nicht einmal. Für org-mode war ich damals noch zu faul; selbst, wenn es das grandiose Orgzly damals schon gegeben hätte, war das Format auf dem Desktop doch mindestens ungewöhnlich. Emacs war mir damals als Texteditor noch fremd.
Klar: Rosa Elefanten entwickeln sich weiter; wie so Pokémon eben. (Gebt lieber auf und bekämpft uns nicht!) - In den folgenden Entwicklungsstufen habe ich es geschafft, Emacs und damit auch org-mode in meine Workflows zu integrieren, denn, wie man früher oder später herausfindet (ob man will oder nicht), für "Todo"-Listen ist Evernote wie auch seine Mitbewerber einigermaßen schlecht geeignet. Diese Zweiteilung zwischen nach Projekten geordneten .org-Dateien für akute Dinge und Evernote als virtuellem Zettelkasten hat jahrelang prima funktioniert.
2014 kamen erste Zweifel, ob Evernote wirklich das Richtige ist, wohl auch beeinflusst von der Einführung von OneNote unter Android. Das lief bei mir jedoch nicht besonders gut, also habe ich eine Befassung damit vorerst vertagt. Dass OneNote noch recht lange furchtbar zu bedienen war, erleichterte mir das Verbleiben bei Evernote immens.
Leider hat das Evernote-Team seitdem ein paar schlechte Entscheidungen getroffen: Die verfügbaren Preismodelle (nicht, dass ich auch nur ein einziges Bezahlfeature wirklich gebraucht hätte) vermehrten sich, es gab wunderliche Blogbeiträge zu Datenschutzrichtlinien und ein immer offensichtlicheres Bedürfnis, aus dem etablierten Dienst, der auch für die nicht zahlende Kundschaft interessant sein wollte, eine Bargeldkuh (oder wie auch immer man das übersetzen mag) zu machen, was für mich spätestens 2016, als unsereins nur noch auf zwei Geräten gleichzeitig - "Evernote Web" gnädigerweise nicht mitgezählt - angemeldet sein durfte, was für mich persönlich auch beim Streamingdienst Deezer ein Ausschlusskriterium ist. Als Gewohnheitstier kann man sich fraglos, wenn auch Zähne knirschend, damit arrangieren, den Evernote-Client nur noch auf Smartphone und Hauptrechner laufen zu lassen, die Webanwendung ist ja durchaus nicht so schlecht, aber ein wenig unerwünscht kommt man sich schon vor.
In Kombination mit dem seit 2015 immer energischeren Generve, man möge doch bitte endlich mal die tollen Premiumfunktionen ausprobieren, die man, verdammt noch mal, noch nie gebraucht hat, füllte sich das Fass jedenfalls zusehends. Heute schließlich lief es über; ohne einen gesonderten Anlass, aber die Kombination aus dem allen ist unerträglich geworden.
Nach ungefähr sieben überwiegend zufriedenen Jahren ist das Evernotekonto "Rosa Elefant" seit wenigen Minuten Geschichte. Wer nervt, gewinnt mich nicht als zahlenden Kunden, sondern verliert mich als Empfehlung. Ich habe in den vergangenen Jahren durchaus verschiedenfach Evernote empfohlen, vielleicht hat Evernote darüber auch schon Geld verdient, vielleicht auch nicht. Evernote war immer ein Werkzeug für mich, keine Notwendigkeit. Wenn mein Schraubenzieher anfängt, mich beim Schrauben darauf hinzuweisen, dass ich auch einen Schraubenzieher mit integrierter Feile kaufen könnte, dann wird mein nächster Schraubenzieher von einem anderen Baumarkt gekauft. Nach langer Abwägung der Alternativen ziert meinen virtuellen Zettelkasten jetzt ein lila umrandetes "O". Dass das Microsoft-eigene Importwerkzeug recht wenig taugt (vielleicht bin ich aber auch nur zu blöde für dessen sturzfreie Bedienung), war kein Hindernis: Die knapp einhundert angesammelten Notizen waren schnell kopiert und reformatiert. Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich mal aufgeräumt, meine Strukturen waren eher suboptimal. Beim Kopieren aus Evernote Web gehen manchmal doppelte Zeilenumbrüche teilweise verloren, aber vielleicht macht das die Desktopversion anders.
OneNote verpflichtet ohnehin zum Umdenken: Was hier "Notizbücher" heißt und in einzelnen Dateien herumliegt, entspricht bei Evernote eher ganzen Konten.
Code:
OneNote Evernote
---------------------------
Notizbuch -
Abschnitt Notizbuch
- Unternotizbuch (?)
Seite Notiz
Der "OneNote-Importer" transferiert das auf eine andere Ebene, indem er Notizbücher als Notizbücher umsetzt; das kann sinnvoll sein, ist aber merklich komplizierter mit der Struktur von OneNote in Einklang zu bringen. (Das ist wahrscheinlich Geschmackssache.)
OneNote kann Notizbücher überall, also in OneDrive und Dropbox und Seafile und auf irgendwelchen Netzlaufwerken, ablegen; wenn man, wie ich, OneDrive nicht besonders mag, kann man sein eigener Notizhoster werden. Das habe ich bei Evernote durchaus auch ein wenig vermisst.
Fehlt mir nichts? Doch: So etwas Feines wie Geeknote hat OneNote einfach nicht zu bieten. Aber seien wir ehrlich: Das ist es nicht wert.
Wenn ich demnächst mein LG G5 endlich austausche, bin ich auch die Evernote-App (scheint hier ins ROM eingebaut zu sein) los. Unsere Wege, Evernote, trennen sich hier. Ich verstehe das Streben nach Geld, ich habe aber kein Mitgefühl mit Nervensägen.
Jetzt mach bloß keinen Fehler, Microsoft.
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