don_giovanni
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- 18.810
Ich gebe es ganz offen zu - das hier ist so etwas wie ein "Sommerloch-Thema": Denn aktuell ist nicht wirklich viel los in der Smartphone-Szene. Alle großen Vorstellungen des Frühjahrs sind durch, selbst bei den wichtigsten China-Phone-Herstellern ist im Moment akut nicht viel in der Pipeline. Es sind also im Moment vor allem die s.g. Randthemen, denen sich die Berichterstattung der Smartphone-Blogs widmet. Doch auch die ein oder andere Meldung, die nicht wirklich ganz so viel mit Android im Speziellen zu tun hat, kann interessant sein. Ich erinnere hier nur mal kurz an meinen Artikel von letzter Woche zum Thema mobile Erreichbarkeit - der war ja auch nicht sonderlich speziell, sondern hatte ein eher allgemeines Thema. Trotzdem war das Feedback von eurer Seite überaus positiv, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken möchte.
Heute möchte ich euch dagegen von einer Studie u.a. an der Cornell University berichten, welche an die Forschungen des britischen Anthropologen Robin Dunbar aus den 1990er Jahren anknüpfen: Dieser hatte seinerzeit einen Zusammenhang zwischen der Gehirngröße von Primaten und deren sozialen Gruppen entdeckt und belegen können. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die sozialen Einheiten (Gruppen) umso größer waren, je größer das Gehirn des jeweiligen Tieres war. Daraus folgte der Schluss, dass es an der größeren Merkfähigkeit eben jener Gehirne liegt, dass die Tiere sich mehr einprägen und mehr sinngerichtete Interaktion ausführen können. Hierdurch bestimmt sich dann schlussendlich ihre Gruppenbindung, die sich ja durch die soziale Interaktion maßgeblich mitbestimmt.
Dunbar schloss daraus aber auch, dass man diese Erkenntnisse ebenfalls auf den Menschen übertragen kann: Laut seiner Prognose sei es für den Menschen nicht möglich, mehr als 150 Menschen in seiner sozialen Sphäre zu haben und mit diesen (mehr oder minder) regelmäßigen Kontakt zu pflegen. Seit Dunbars Forschungen aus den 90ern haben viele weitere Verhaltensanalytiker versucht, die menschliche Fähigkeit zur sozialen Bindung in Zahlen zu fassen. Interessanterweise kommt man dabei oft genug immer wieder auf den Wert Dunbars mit dem Maximum von 150 Kontakten. Auch Dunbar selbst hat seine Thesen und seine Forschungen immer weiter verbessert und ausgeweitet und hat derweil in der Zwischenzeit auch erklärt, dass die besagten 150 Menschen sich in unterschiedlichen "Schichten" um das Individuum gruppieren.
So sollen nur maximal 5 Personen die engste Bindung ermöglichen, auf Neudeutsch würde man wohl "BFF" oder dergleichen sagen. In der nächsten Schicht kommen durchschnittlich weitere 10 Kontakte hinzu, dann in einem weiteren Kreis noch einmal 35, zuzüglich des äußeresten Kreises mit weiteren 100 entfernteren Kontakten. Nun ist es Robin Dunbar, der an der University of Oxford forscht, zusammen mit weiteren Kollegen (vor allem der eingangs erwähnten Cornell University) gelungen, anhand von Mobilfunkdaten die von ihm beschrieben sozialen Sphären und Kreise zu belegen. Man hat dafür sechs Milliarden Telefonanrufe aus einem nicht genannten europäischen Land aus dem Jahr 2007 ausgewertet. (Anmerkung: Praktisch ist bei der Auswertung solch älterer Zahlen übrigens, dass damals die Verwendung von Messengern zur Kontaktpflege noch nicht etabliert war und somit die Anrufdaten tatsächliche Rückschlüsse über das Verhalten der betreffenden Personen zulassen).
Durch die Zahl der Anrufe hat das Team von Forschern die Nähe der sozialen Kontakte aufgeschlüsselt. Dabei wurden gewerblich telefonierende Personen anhand der Zahl ihrer Telefonanbindungen zu unterschiedlichen, zahlreichen Kontakten, herausgefiltert, um nur noch die "normalen" Telefonierenden übrig zu behalten. Interessanterweise belegen die Ergebnisse die Thesen von Dunbar ziemlich genau: Demnach passt die Zahl der Anrufe insofern zusammen, dass in der ersten sozialen Sphäre im Schnitt 4,1 Personen sind, in der zweiten 11,0, in der dritten 29,8 und in der vierten 128,9. Also belegen die Telefondaten eine Behauptung, die Robin Dunbar bereits in einer Zeit aufgestellt hat, als die Menschen noch ganz anders interagiert haben, als es heute der Fall ist. Heuzutage hat sich die Interaktion sicherlich recht stark gewandelt, allein dadurch, dass man per Messenger leichter Kontakt halten kann.
Aber trotzdem sollen laut Dunbar und seinen Kollegen die von ihm bezifferten Grenzen nach wie vor gelten: Mehr als fünf "echte" beste Freunde sollen nicht möglich sein - Menschen also, mit denen man durch dick und dünn geht und denen man bedingunglos vertraut. (Man hört ja auch oft: "Die kann man an einer Hand abzählen.") In den beiden darauffolgenden, erweiterten Kreisen, finden sich dann die 10 plus 35 Kontakte, mit denen man heutzutage dann bei WhatsApp oder Facebook mehr oder minder regelmäßig schreibt, die man aber nicht zwangsläufig alle regelmäßig sieht. Und danach folgen dann die Bekannten. Ob die Annahmen Dunbars in letzter Instanz wirklich für jeden Menschen gelten, darf jedoch bezweifelt werden: Extrem introvertierte Menschen dürften selten einen Bekanntenkreis von 150 Personen pflegen, auch gibt es sicherlich (vor allem junge) Menschen, die glauben, 1000 Facebook-Freunde seien echte Freunde. Und versuchen, möglichst viele bei der Stange zu halten.
Im Endeffekt ist es aber auch gar nicht das, worum es Dunbar geht. Sondern es geht darum, dass wir in unseren sozialen Fähigkeiten limitiert sind - ob wir wollen, oder nicht. Und wir können einfach nicht für 100 Menschen so viel Vertrauen und Wärme empfinden, wie für die wirklich "besten" Freunde. Das macht unser Hirnchen einfach nicht mit. Darum geht es Dunbar: Hirn setzt Schranken. Egal für wen. Und diese Schranken sind interessanterweise bei den allermeisten Menschen ähnlicher geartet, als man dies glauben würde.
Diskussion zum Beitrag
(im Forum "Plauderecke")
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Quellen:
PhoneArena
TechnologyReview
Cornell University
blog.marketo
Heute möchte ich euch dagegen von einer Studie u.a. an der Cornell University berichten, welche an die Forschungen des britischen Anthropologen Robin Dunbar aus den 1990er Jahren anknüpfen: Dieser hatte seinerzeit einen Zusammenhang zwischen der Gehirngröße von Primaten und deren sozialen Gruppen entdeckt und belegen können. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die sozialen Einheiten (Gruppen) umso größer waren, je größer das Gehirn des jeweiligen Tieres war. Daraus folgte der Schluss, dass es an der größeren Merkfähigkeit eben jener Gehirne liegt, dass die Tiere sich mehr einprägen und mehr sinngerichtete Interaktion ausführen können. Hierdurch bestimmt sich dann schlussendlich ihre Gruppenbindung, die sich ja durch die soziale Interaktion maßgeblich mitbestimmt.
Dunbar schloss daraus aber auch, dass man diese Erkenntnisse ebenfalls auf den Menschen übertragen kann: Laut seiner Prognose sei es für den Menschen nicht möglich, mehr als 150 Menschen in seiner sozialen Sphäre zu haben und mit diesen (mehr oder minder) regelmäßigen Kontakt zu pflegen. Seit Dunbars Forschungen aus den 90ern haben viele weitere Verhaltensanalytiker versucht, die menschliche Fähigkeit zur sozialen Bindung in Zahlen zu fassen. Interessanterweise kommt man dabei oft genug immer wieder auf den Wert Dunbars mit dem Maximum von 150 Kontakten. Auch Dunbar selbst hat seine Thesen und seine Forschungen immer weiter verbessert und ausgeweitet und hat derweil in der Zwischenzeit auch erklärt, dass die besagten 150 Menschen sich in unterschiedlichen "Schichten" um das Individuum gruppieren.
So sollen nur maximal 5 Personen die engste Bindung ermöglichen, auf Neudeutsch würde man wohl "BFF" oder dergleichen sagen. In der nächsten Schicht kommen durchschnittlich weitere 10 Kontakte hinzu, dann in einem weiteren Kreis noch einmal 35, zuzüglich des äußeresten Kreises mit weiteren 100 entfernteren Kontakten. Nun ist es Robin Dunbar, der an der University of Oxford forscht, zusammen mit weiteren Kollegen (vor allem der eingangs erwähnten Cornell University) gelungen, anhand von Mobilfunkdaten die von ihm beschrieben sozialen Sphären und Kreise zu belegen. Man hat dafür sechs Milliarden Telefonanrufe aus einem nicht genannten europäischen Land aus dem Jahr 2007 ausgewertet. (Anmerkung: Praktisch ist bei der Auswertung solch älterer Zahlen übrigens, dass damals die Verwendung von Messengern zur Kontaktpflege noch nicht etabliert war und somit die Anrufdaten tatsächliche Rückschlüsse über das Verhalten der betreffenden Personen zulassen).
Durch die Zahl der Anrufe hat das Team von Forschern die Nähe der sozialen Kontakte aufgeschlüsselt. Dabei wurden gewerblich telefonierende Personen anhand der Zahl ihrer Telefonanbindungen zu unterschiedlichen, zahlreichen Kontakten, herausgefiltert, um nur noch die "normalen" Telefonierenden übrig zu behalten. Interessanterweise belegen die Ergebnisse die Thesen von Dunbar ziemlich genau: Demnach passt die Zahl der Anrufe insofern zusammen, dass in der ersten sozialen Sphäre im Schnitt 4,1 Personen sind, in der zweiten 11,0, in der dritten 29,8 und in der vierten 128,9. Also belegen die Telefondaten eine Behauptung, die Robin Dunbar bereits in einer Zeit aufgestellt hat, als die Menschen noch ganz anders interagiert haben, als es heute der Fall ist. Heuzutage hat sich die Interaktion sicherlich recht stark gewandelt, allein dadurch, dass man per Messenger leichter Kontakt halten kann.
Aber trotzdem sollen laut Dunbar und seinen Kollegen die von ihm bezifferten Grenzen nach wie vor gelten: Mehr als fünf "echte" beste Freunde sollen nicht möglich sein - Menschen also, mit denen man durch dick und dünn geht und denen man bedingunglos vertraut. (Man hört ja auch oft: "Die kann man an einer Hand abzählen.") In den beiden darauffolgenden, erweiterten Kreisen, finden sich dann die 10 plus 35 Kontakte, mit denen man heutzutage dann bei WhatsApp oder Facebook mehr oder minder regelmäßig schreibt, die man aber nicht zwangsläufig alle regelmäßig sieht. Und danach folgen dann die Bekannten. Ob die Annahmen Dunbars in letzter Instanz wirklich für jeden Menschen gelten, darf jedoch bezweifelt werden: Extrem introvertierte Menschen dürften selten einen Bekanntenkreis von 150 Personen pflegen, auch gibt es sicherlich (vor allem junge) Menschen, die glauben, 1000 Facebook-Freunde seien echte Freunde. Und versuchen, möglichst viele bei der Stange zu halten.
Im Endeffekt ist es aber auch gar nicht das, worum es Dunbar geht. Sondern es geht darum, dass wir in unseren sozialen Fähigkeiten limitiert sind - ob wir wollen, oder nicht. Und wir können einfach nicht für 100 Menschen so viel Vertrauen und Wärme empfinden, wie für die wirklich "besten" Freunde. Das macht unser Hirnchen einfach nicht mit. Darum geht es Dunbar: Hirn setzt Schranken. Egal für wen. Und diese Schranken sind interessanterweise bei den allermeisten Menschen ähnlicher geartet, als man dies glauben würde.
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Quellen:
PhoneArena
TechnologyReview
Cornell University
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